Sie sind überall – und sie werden immer gefährlicher: Bakterien, Pilze und Parasiten, denen man mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr so leicht beikommen kann. Die Weltgesundheitsorganisation WHO listet solche antimikrobiellen Resistenzen aktuell sogar unter den Top drei Bedrohungen für die Gesundheit der Menschheit neben atomaren Waffen und der Covid-19-Pandemie. Bereits jetzt übertrifft die jährliche Anzahl der weltweiten Todesfälle durch bakterielle Infektionen – es sind 5 Millionen – die Zahl jener Menschen, die an Krebs sterben.
Nach Corona drohen oft Infektionen mit Bakterien und Pilzen
Die Corona-Pandemie hat insbesondere krankheitserregenden Bakterien und Pilzen den Einzug in den menschlichen Körper erleichtert. Denn ein schwerer Verlauf von Covid-19 resultiert sehr oft in einer zusätzlichen Ansteckung mit einer Pilz- oder Bakterienvariante. Über geschädigtes Gewebe in der Lunge oder der Nasenschleimhaut verschaffen sich Keime nahezu spielerisch Zutritt zu unserem Körper, wo sie, einmal eingenistet, immensen Schaden anrichten und sogar zum Tod führen können. Auch längere Aufenthalte in überbelegten Intensivstationen bergen Gefahren, denn bestimmte Keime können lange ohne Nahrungsquelle überleben.
„Killer“-Moleküle als Gegenmittel
Daher laufen weltweit fieberhaft Forschungen an Gegenmitteln – auch an der Universität Graz. Hier arbeitet Nermina Malanovic am Institut für Molekulare Biowissenschaften mit verschiedenen bestimmten Klassen von Molekülen, die schädliche Mikroorganismen restlos eliminieren. Im Mittelpunkt ihrer Forschungen steht das Antiseptikum Octenidin. Dieser Wirkstoff ist die Basis für viele desinfizierende Produkte, etwa für Wundsprays, aber auch für Seifen oder Shampoos, mit denen PatientInnen vor Operationen gereinigt werden. „Obwohl Octenidin-basierte Artikel schon lange am Markt sind, ist wenig über seine Wirkweise auf zellulärer und molekularer Ebene bekannt, weil die Anwendung meistens äußerlich, also auf unserer Haut, passiert“, schildert Nermina Malanovic.
„Auftragsmord“ aus dem Inneren
Die Forscherin wollte in einer Kooperation mit Florentine Marx von der Medizinischen Universität Innsbruck, aus der eine kürzlich veröffentlichte Publikation entstanden ist, herausfinden, was passiert, wenn man antimikrobielle Peptide direkt in die Zelle eines pathogenen Pilzes einbringt. Die Herausforderung war, dass Pilze sich von Bakterien, an denen ähnliche Studien bereits gemacht wurden, in einem wichtigen Detail unterscheiden. Bakterien haben eine geladene Oberfläche, an der die „Killer“-Peptide binden. Durch diese Interaktion zerbricht die bakterielle Membran. Ohne diese schützende Schicht können die Einzeller nicht überleben.
Bei Pilzen dagegen gibt es keine vergleichbaren Interaktionspartner an der Oberfläche. Trotzdem führten die Peptide ihren „Auftragsmord“ anstandslos aus: Sie schlüpfen nämlich einfach durch die Pilz-Membran hindurch. Eine bestimmte Interaktion mit den Fettsäuren der Membran erlaubt ihnen das. Einmal im Inneren angekommen, binden die „Auftragsmörder“ an die dortigen Organellen und zerstören den Pilz quasi „von innen heraus“.
Mögliche Basis für neue Behandlungen
Diese spezielle Klasse von Molekülen ist also perfekt geeignet, um pathogene Keime effektiv zu vernichten. Und sie haben einen weiteren Vorteil: Sie wirken durch ihre Bindung an bestimmte Oberflächenbestandteile, wo dadurch normalerweise Sepsis ausgelöst werden kann, zusätzlich entzündungshemmend. Werden sie also bald in Therapien von Infektionen zum Einsatz kommen? „Das wird noch dauern“, verweist Nermina Malanovic auf den langen Weg, den neue Medikamente bis zur Zulassung gehen müssen. Allerdings bilden ihre Forschungen die Grundlage für vielversprechende, neue Wege, um die Krankheitserreger in Schach zu halten.
Erfolgreicher (Aus-)Weg in die Forschung
Nermina Malanovic arbeitet an vorderster Front an diesem Problem und pflegt enge Kontakte zur chemischen Industrie im Bereich Infektionsschutz, etwa zum Unternehmen Schülke & Mayr GmbH. Erst kürzlich erhielt sie den METEKA-Preis für Krankenhaus- und Betriebshygiene, verliehen von der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin ÖGHMP.
Ihr Berufsweg in der Wissenschaft war aber keinesfalls vorgezeichnet. Die Bosnierin überlebte 1995 im Alter von 15 Jahren das Massaker von Srebrenica. Als Geflüchtete in Österreich schaffte sie, ohne zuvor Deutsch gelernt zu haben, zwei Jahre später die Matura am Gymnasium Ursulinen und studierte danach an der Universität Graz Chemie/Biochemie und Molekularbiologie. Heute, in einer Zeit, in der es abermals Fluchtbewegungen in Europa gibt, ist es der Wissenschafterin ein Anliegen, darüber zu sprechen: „Mir ist es wichtig, zu zeigen, dass man es auch in einem fremden Land schaffen kann, persönlich anzukommen und beruflich erfolgreich zu sein. Man braucht den Willen dazu, viel Engagement und natürlich auch jemanden, der dir die Chance gibt, dich zu beweisen“, unterstreicht Nermina Malanovic.
Publikationen:
Malanovic et.al. Where Electrostatics Matter: Bacterial Surface Neutralization and Membrane Disruption by Antimicrobial Peptides SAAP-148 and OP-145. DOI: 10.3390/biom12091252
Marx, Malanovic et. Al. The Membrane Activity of the Amphibian Temporin B Peptide Analog TB_KKG6K Sheds Light on the Mechanism That Kills Candida albicans. DOI: https://doi.org/10.1128/msphere.00290-22